ZEITTAFEL

Hier soll der geschichtliche Zusammenhang der beiden Stamm-Linien Schelski und Dressler dargestellt werden. Einen tieferen Einblick in die jeweilige Situation findet ihr folgend.

Schelski Dressler
1775 Martin Dressler wird in der Kurpfalz geboren
1803 Ansiedlung in Preußen
1814 Der Ruf des Zaren Alexander I.
August Scholl wird geboren 1839 Die zweite Generation Dressler in Krasna
Aufregung in Groß Kubillehlen 1877 Romanus Dressler wird geboren
Der erste schriftlich nachgewiesene Schelski 1897
Heirat in Schirwindt 1906 Weizenernte
Mobilmachung für den 1. Weltkrieg 1914 Mit Alois Dressler setzt sich die Ahnenreihe fort
Karl wird Bauunternehmer 1920 Anschluss Bessarabiens an Rumänien
1937 Alois heiratet seine Marianna
1940 "Heim ins Reich" - Der Hitler-Stalin-Pakt
1941 Neuanfang im Warthegau
Die Front rückt immer näher - Die Flucht beginnt 1944
Karl ist das letzte mal auf Heimaturlaub 1945
Das Ende der Flucht - Ankunft in Alt-Sammit 1946
Wildschweinjagd und Blick nach Westen 1950
Hochzeit 1960 in Alt-Sammit
1775
Es ist das Zeitalter der Aufklärung am Vorabend der Französischen Revolution, die ganz Europa verändern sollte. Auch das Schicksal unserer Familien wird stark davon beeinflusst.
Martin Dressler wird in der Kurpfalz geboren. Die deutsch-französischen Kriege mergeln das Land aus. Außerdem sind die Höfe durch die Erbfolgeregeln derart zersiedelt, dass die Bauern Mühe hatten, ihre Familien von diesen kleinen Höfen zu ernähren.
1803
Das Jahr des Reichsdeputationshauptschluss. Er markiert das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Nach dem Frieden von Lunéville, der die linksrheinischen Gebiete Frankreich überträgt, wird das deutsche Reichsgebiet neu geordnet.
Martin Dressler war inzwischen 28 und verheiratet mit einer Katharina ... Durch die ständigen Durchmärsche der Soldaten war die Lage noch schwieriger geworden. Da kam der Bevollmächigte des preussischen Königs gerade recht. Er versprach zahlreiche Privilegien für die Bauern wenn sie in sich in Neuostpreussen ansiedeln. So machten sich Martin und Katharina Dressler 1803 auf den Weg nach Preussen, ausgestattet mit Reisegeld vom preussischen König wähnte man sich in einer frohen Zukunft. Fern der angestammten Heimat, aber doch auskömmlich für die junge Familie auf dem Land, das nun nach der 3. Polnischen Teilung zu Preussen gehörte.
1814
Napoleon dankt ab und "Der Kongress tanzt". Der Wiener Kongress 1814/15, unter Beteiligung aller politischen Kräfte Europas, zeichnete die Grenzen neu. Das hat wieder einschneidende Veränderungen für die Einwohner Europas zur Folge.
Zar Alexander I.Zar Alexander I.
Aus Neuostpreussen war inzwischen ein Teil vom Herzogtum Warschau (1807-15)hervorgegangen, daß wieder polnisch war, jedoch von Napoleon bestimmt. Martins Familie war enttäuscht. Zum einen waren die Privilegien von Preussen schon nicht eingehalten worden und nun war man unter einer andere Regierung geraten. Napoleons Truppen haben auch hier das Land ausgepresst. Wieder war da ein Land, das versprach, bei deren Kolonisierung großzügig zu sein. Russlands Zar Nikolaus I. rief deutsche Siedler in das, 1812 von ihnen besetzte Gebiet, zwischen Dnjestr und Pruth - rief sie nach Bessarabien. Die Ankunft in Krasna war ernüchternd, es war reine Steppe und den ersten Winter 1814/15 barg sie die dunkle schwarze Erde in Höhlen, die sie sich geschaufelt hatten. Waren sie wieder betrogen worden? Von der Siedlungskommission gab es keine Spur mehr. Aber schließlich nach und nach wurden Häuser gebaut und Martin wird am 11. Juni 1816 ein Sohn mit dem Namen Karl geboren. Ein gutes Zeichen für die Zukunft.
1839
Es ist die Zeit der Restauration und des Biedermeier. In Russland regierte Zar Nikolaus I. mit eiserner Hand, besonders in "Kongresspolen". Friedrich Wilhelm III. von Preußen unterstützte ihn dabei.
August Scholl wird am 8. Januar 1839 geboren und Elisabeth geb. Reiner am 25. Januar 1838 in Kusmen.
Krasna wächst, Karl heiratet 1833 Marianna Arnold. Sie bekommen vier Kinder, eines davon, Michael, wird im September 1839 geboren.
1877
Im 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreich regiert Wilhelm I. im Aufschwung der Gründerzeit. Damals ist es die größte Volkswirtschaft der Welt. Russland indes führt den 9. Russisch-Türkischen Krieg (1877/78), was zu einer Neuaufteilung des Balkan führt. Im Moskauer Bolschoitheater hat Tschaikowskis "Schwanensee" Uraufführung. Durch eine schlechte Inszenierung mit wenig Erfolg.
In Groß Kubillehlen wartet August Scholl auf die Niederkunft seiner Frau Elisabeth. Wie stolz er ist, als der kleine Mathes am 11. März 1877 das Licht der Welt erblickt, kann man nur ahnen. Maria, geb. Städler, seine erste Ehefrau wurde am 11. März 1884 geboren. Ihre Eltern sind der Bauer Friedrich Städler (* 8. August 1845 + um 1907) und seine Cousine und Ehefrau Auguste, geb. Freutel (* 8. August 1841 in Urbantatschen). Maria hatte eine Schwester, die wie ihre Mutter auch Auguste hieß. Sie heiratete Fritz Ramonat. Beide lebten in Goberischken, dort war Fritz ab 1920 Bürgermeister.
Die Linie setzt sich am 13. Januar 1878 fort. Eleonore Kopp, zweite Frau Michaels, gebiert Romanus Dressler.
1897
Marktplatz in Schloßberg
Karl Schelski wurde im Dezember 1897 in Birkenfelde im Kreis Schlossberg in Ostpreußen geboren. Seine Eltern können derzeit noch nicht ermittelt werden, da die Kirchenbücher vermutlich vernichtet wurden. Bekannt ist noch, dass er 10 Brüder hatte, die alle älter waren. Einer von ihnen Fritz (Friedrich) wohnte später in Nachbarschaft mit Mathes Scholl´s Familie in Kaunohnen. Er wurde am 19.01.1891 geboren und war Viehhändler. Die einzige Schwester hieß Berta und war mit einem Krips verheiratet.
Marktplatz in Schlossberg
Marktplatz in Schlossberg
1906
Im deutschen Reich dürfen jetzt auch Kinder unter 10 Jahren in Familienbetrieben arbeiten und das erste U-Boot wird in Dienst gestellt. Der Hauptmann von Köpenick besetzt das Rathaus in dem Berliner Stadtteil. Was für ein Jahr für die Deutschen. In Russland wird die erste Duma eröffnet. Allerdings in seinen Rechten vom Zaren sehr stark eingeschränkt.
Mathes Scholl und Maria Städler heirateten am 8. Mai 1906 in der Kirche zu Schirwindt. Maria gebar ihm 3 Mädchen Minna, geb. am 22. Februar 1907, Lisbet, geb. am 17. September 1908 und Frieda, geb. am 13. März 1910. Die Familie lebte auf einem kleinen Hof von ca. 6 ha in Kaunohnen (Marderfelde).
Familie Dressler in Krasna hat, wie die anderen Bauern des Dorfes, einer der besten Weizenernten in diesem Jahr.
1914
In Europa beginnt mit dem Attentat auf das Österreich-ungarische Kronprinzenpaar in Sarajevo eine Kettenreaktion von diplomatischen und geheimdienstlichen Aktivitäten, die in den ersten Weltkrieg münden. Auch nach diesem Krieg werden die Grenzen neu gezogen und unsere Familien sind direkt betroffen.
1914 erfolgte die Mobilmachung zum 1. Weltkrieg. Karl meldete sich freiwillig im Alter von 17 Jahren für diesen Krieg und wurde als Sanitäter eingesetzt. Im 1. Weltkrieg mussten die Bewohner der östlichsten deutschen Gebiete flüchten. Mehrere hunderttausend Einwohner flüchteten in die westlichen Gebiete, darunter auch Mathes und Maria Scholl mit ihren kleinen Kindern Minna, Lisbeth und Frieda bis nach Bad Doberan in Mecklenburg. General Paul von Hindenburg wurde eingesetzt und führte die Armee zum Sieg. Deshalb zogen sich die Russen ab dem 19.09.1914 aus Ostpreußen zurück und damit konnten sie bald in die Heimat zurückkehren. Die Kriegsschäden wurden bereits ab September 1915 beseitigt. Pillkallen wurde fast vollständig zerstört und wurde mit der Hilfe der Patenstadt Breslau wiederaufgebaut. Am 15. Dezember 1916 stirbt Maria Scholl. Die noch kleinen Mädchen sind plötzlich Halbwaisen. Mathes hat großen Kummer und braucht dringend eine Mama für die Mädchen. Er lernt Johanna Baur kennen, die den Mädchen eine liebevolle Mutter wird. Mathes heiratet Johanna am 13. August 1917 in der Kirche zu Willuhnen.
Viele Jahre hat Krasna in Ruhe gelebt und die Bevölkerung ist gewachsen. Auch Dresslers haben Zuwachs bekommen. Der Urenkel von Martin, Romanus, bekommt am 19.02.1914 von Maria-Eva einen Sohn geschenkt. Alois, der erste Sohn, nach zwei Töchtern.
Maria Scholl mit Minna, Lisbet und Frieda
Maria Scholl mit Minna, Lisbet und Frieda
Romanus Dressler & Eva Maria geb. Müller
Romanus Dressler & Eva Maria geb. Müller
Doch die Zeiten bleiben nicht so friedlich, durch den Sturz Nikolaus II. im Jahr 1917 und den anschließenden Revolutionswirren, schließt sich Bessarabien 1920 an das Königreich Rumänien an.
1920
Das Deutsche Reich war ein demokratischer Bundesstaat geworden. Bekannter als die "Weimarer Republik". In München gründet sich die NSDAP. Russland befand sich nach der Oktoberrevolution von 1917 im Wandel von Sowjetrussland zur Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFS), die in der später gegründeten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) der führende Teil war.
Der Aufbau des zerstörten Ostpreußen kam in den 20iger Jahren zum Abschluss. Es folgten die sogenannten „goldenen 20iger Jahre". Bis zur Weltwirtschaftskrise im Herbst 1929, die eine beispiellose Inflation auslöste und weite Teile der Bevölkerung in Hunger und Elend stürzte. Nach Beendigung des 1. Weltkrieges kehrt Karl aus dem Krieg zurück und macht sich später als Bauunternehmer und Zimmermann selbstständig. Vermutlich Anfang der 30iger Jahre lernt er Frieda Scholl kennen und lieben. Frieda hat ihr zu damaliger Zeit übliches Pflichtjahr in Rucken (Kr. Pillkallen) bei einem Bauern abgeleistet. Als sie am 17. Juli 1934 in Groß Rudzsen (standesamtlich) und in der Kirche zu Pillkallen heiraten ist Frieda bereits schwanger. Sie wohnen in Schillfelde. Im November 1934 wird Sohn Horst geboren und im März 1936 folgt Tochter Ute. Als am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg beginnt, war für Karl klar, dass er wieder in den Krieg ziehen muss. Denn er wollte dieses Mal nicht freiwillig gehen. Er musste in Riga beim Aufbau eines Lazaretts mithelfen.
Das hat einige Folgen für die deutschen Siedler, Amtssprache wird Rumänisch, was Dresslers nicht gelernt haben. In der Schule darf man sich zeitweise nur rumänisch unterhalten, was dazu führt, daß die deutschen Kinder keine Unterhaltung mehr führen. Es finden auch Land-Enteignungen statt. In der Nähe von Krasna zum Beispiel wird das ca. 1.000 ha Große Gut von Familie Golo-Hoffmann, ein Günstling des Zarenhofs, bis auf ca. 50-100 ha enteignet. Diese Flächen werden an die Bauern weitergegeben um der Zersiedlung der bestehenden Höfe entgegenzuwirken. Aus einem Teil dieses Landes sollte Neu-Krasna entstehen, dies wird allerdings durch den Bürgermeister und den Pfarrer von Krasna verhindert. "Es ist gestohlenes Land.", denn diese Enteignungen betraf auch Kirchenland, und damit wollten die gläubigen Krasnaer nichts zu tun haben.
1937
Das deutsche Flugzeuggeschwader „Legion Condor" zerstört am 26. April im spanischen Bürgerkrieg die baskische Stadt „Guernica". Das Luftschiff „Hindenburg" geht bei der Landung am 6. Mai in Flammen auf. 36 Menschen sterben. Über das Gebiet von Bessarabien herrscht in Rumänien, Carol II. fast als Diktator vom Dritten Reich unterstützt.
Alois Dressler Marianna geb. Hermann Josef Plotzki Dorothea geb. Hermann Alois Dressler
Marianna geb. Hermann
Josef Plotzki
Dorothea geb. Hermann
Die Jahre vergehen und aus Alois ist ein junger Mann geworden, der im November 1937 Marianna Hermann heiratet. Das junge Paar richtet sich ein im Hof von Vater Romanus, der schon 1924 verstorben war. Wilhelm erblickt im September ´38 das Licht der Welt. Doch sollte das Glück ihnen nicht treu bleiben.
1940
Das Dritte Reich besetzt Dänemark, Norwegen, Niederlande, Belgien und Luxemburg. Einmarsch in Frankreich und Besetzung von Paris. In Rumänien dankt Carol II. nach schweren Gebietsverlusten, auch Bessarabien ist an die Sowjetunion verloren, ab und übergibt die Regierung seinem Sohn Michael I. Die Sowjetunion besetzt Estland und Lettland und zwingt sie zum Beitritt.
Karte Lager Semlin
Auf Grund des Hitler-Stalin-Paktes mussten auch die Bewohner Krasnas im Herbst 1940 verlassen. Ab August begannen die Vorbereitungen durch die Umsiedlungskommission. Marianna muss sich hochschwanger, ohne Alois, auf den Weg machen. Nach einem langen und harten Weg mit dem Pferdewagen nach Reni (ein Donauhafen) besteigt sie mit Wilhelm ein Schiff und fährt mit den vielen anderen Krasnaern bis Semlin (kurz hinter Belgrad). Dort kommt Sie nieder. Sie ist mit Wilhelm ins Krankenhaus gebracht worden und entbindet Katharina. Diese Geburt war wie ein Licht in diesen dunklen Zeiten, die sich dadurch noch verdüsterten, dass Wilhelm während des Aufenthalts im Krankenhaus verstarb. Woran ist nicht bekannt. So waren halt die Zeiten, hört man heute. Dunkle Zeiten halt. Vom Lager in Semlin gehen täglich Züge ins "Reich". Mariannas Verwandte und Nachbarn sind schon auf dem Weg nach Pirna. Sie wird kurze Zeit später nachreisen.
1941
Die Wolgadeutsche Republik in der UdSSR wird aufgelöst. Adolf Hitler übernimmt das Oberkommando über das deutsch Heer.
Marianna macht sich auf den Weg mit Katharina. Eine lange Zugfahrt steht ihnen bevor. In Wien muss Marianna nochmals umsteigen. Mit dem Strom von Heimkehrern gelangt sie zu den anderen nach Pirna bei Dresden. Im Einsiedlungslager treffen wieder alle aufeinander. Marianna freut sich ihre Schwester Dorothea, die ebenfalls schwanger war und die kleine Bertha mit sich hatte, wieder zu sehen. Hier wurden sämtliche Familiendaten aufgenommen, um die Deutschstämmigkeit nachzuweisen, so dass der Einbürgerung nichts mehr im Wege stand. Das Warten im Haus Sonnenstein zog sich über Monate hin. In dieser schweren Zeit, verlor Mariannas Schwester, Dorothea, die kleine Berta. 1942 endlich werden sie im Waldeshausen angesiedelt. Dort wird auch Willi im April geboren. Alois und Marianna bemühen sich, sich einzurichten. Immer wieder müssen sie sich auf neue Gegebenheiten einstellen. Im Juli ´43 stirbt Eva Maria Dressler oder wie die Krasnaer sie nennen „Marievees", die Mutter von Alois. Es ist immer noch Krieg und die Männer sind nicht daheim. Der Bruder von Alois, Wilhelm, fällt schon im Dezember ´40 in Schlesien. Der Krieg kommt näher....
1944
Im deutschen Reich werden die Postleitzahlen eingeführt. Die Rote Armee beginnt mit der Frühjahrsoffensive, weshalb sich deutsche Verbände aus der Ukraine zurückziehen müssen. Im Oktober erreicht die Rote Armee die Grenze zu Ostpreußen. Am 20. Juli findet ein Attentat auf Hitler statt, dass leider scheitert.
Am 1. August 1944 war der 1. Ferientag für die Schulkinder. Horst war 9 Jahre alt und sollte nach den Ferien wie alle „Lorbasse" seines Alters zu den „Pimpfen" gehen. Doch es kam alles anders.... Am 2. August machte sich Frieda mit ihren Kindern Horst und Ute von Schillfelde (Schillehnen) aus mit dem Fahrrad auf den Weg zu ihren Eltern Mathes und Johanna nach Marderfelde (Kaunohnen) mit ein paar Sommersachen im Gepäck. Sie wollte bei der beginnenden Ernte auf dem Hof helfen. Der Krieg brodelte unaufhörlich und die Front rückte immer näher. Obgleich die Fluchtvorbereitungen von der Gauleitung unter Strafe gestellt wurden, sorgte insgeheim jeder schon vor und legte sich das Nötigste für den Ernstfall einer übereilten Flucht bereit. Die Littauer, Letten und Esten waren die Ersten, die fliehen mussten. Leider traf es auch bald die Grenzkreise. Die Einwohner mussten sich vor der heranrückenden Roten Armee in Sicherheit bringen. Horst hatte seinen sonst ruhigen Opa Mathes noch nie so aufgebracht gesehen. Er schimpfte auf die späte Überbringung des Aufrufes zur umgehenden Flucht. Matthes Scholl musste schweren Herzens mit seiner Frau Johanna am 04.08.1944 vom Hof fliehen. Zusammen mit den erwachsenen Töchtern Minna mit Ehemann August Bitschnat (war wegen Magenproblemen ausgemustert) und Frieda (verh. mit Karl Schelski, war an der Front) mit ihren Kindern Horst und Ute ging es zunächst nach Edern. Eine Kuh und 3 Pferde wurden mitgenommen. Die anderen Tiere wurden losgebunden und mussten sich selbst überlassen werden. Mit dem Kutschwagen, vor dem Olga -das Pferd- gespannt wurde und vor dem Leiterwagen gingen die ruhige (hat nur einmal beim Füttern in´s Ohr gebissen, weil's nicht schnell genug ging) Haflinger Stute -Lise (braun-4-5jährig) und der ruppige 16-jährige Rapp, brachen sie auf. Zunächst brauchten sie nicht so weit fort, denn jeder hoffte noch auf eine Rückkehr. Von August bis zum Herbst gab es den ersten Aufenthalt in Edern. Bei einem Bauern wohnten sie in einem kleinen Häuschen. Von Edern aus fuhren sie noch abwechselnd mit dem Fahrrad nach Marderfelde zur Ernte und Frieda nach Schillfelde, um dickere Sachen mitzubringen. Als die Front sich im Herbst näherte, mussten sie im September weiter fliehen bis zum kleinen Ort Kolm, der ca. 3 km von Wehlau entfernt lag. Die Kuh wurde in Edern gelassen, damit die Flucht schneller voran ging. In Kolm bekamen sie beim Bauern Schulz 2 Zimmer zugewiesen. Die Bauersfrau war darüber nicht erfreut, sie war ein rechter „Drachen", der Bauer Schulz aber war in Ordnung. Kinder gab es in dem Haus nicht. Bei der Arbeit auf dem Feld halfen August und Mathes dem Bauern. Hier hat Horst mit dem Nachbarsohn zum ersten Mal Eichenblätter geraucht.
1945
Adolf Hitler begeht Selbstmord und die deutsche Wehrmacht unterschreibt am 8. Mai die bedingungslose Kapitulation. Der II. Weltkrieg ist zu Ende. Die UNO Gründung ist ein Ergebnis dieses Krieges. In Potsdam tagt die Dreimächte-Konferenz. Das Ergebnis für Deutschland: Entnazifizierung, Demilitarisierung, Demokratisierung.
Anfang/Mitte Januar 1945 bekamen sie in Kolm Besuch von Karl Schelski, der Heimaturlaub hatte. Um den 20./21. Januar 1945 mussten sie auch aus Kolm fort. Den ersten Tag konnte Karl sie noch begleiten. Er besorgte einen Panjewagen für den weiteren Fluchtweg. Dafür wurde der Kutschwagen in Kolm stehen gelassen. Er beschwörte sie, ganz weit in den Westen zu fliehen, da er die Gräuel des Krieges in Russland miterlebt hat und eine bittere Rache befürchtete. Frieda flehte ihn an zu desertieren, da dieser Krieg ja keinen Sinn mehr macht. Doch ihm war bewusst, dass das eine Erschießung zur Folge hätte. Er sagte auch, dass er sich lieber das Leben nähme, als zu den Russen in die Kriegsgefangenschaft zu gehen. Es nützte alles nichts, am 23. Januar (?) 1945 musste er sich in Königsberg melden. Leider war dieser Besuch das letzte Lebenszeichen von Karl. Er gilt seitdem als vermisst. Weiter ging es über Königsberg - Heiligenbeil - Braunsberg bis zum Haff. Dort mussten sie 2 Tage warten, weil das Eis des Haffes durch eine für Schiffe geschaffene Fahrrinne gebrochen war und die Soldaten erst eine provisorische Brücke bauen mussten. Das Haff ist ca. 4 m tief. Viele sind später dort mitsamt Pferd und Wagen eingebrochen und hatten keine Chance herauszukommen. Insgesamt gesehen gelang ihnen die Flucht relativ problemlos, da Mathes den Weg schon einmal während des 1. Weltkrieges zurücklegen musste und weil sich die 5 Erwachsenen abwechselnd um Essen für sich und Fressen für die Tiere kümmern konnten. So war immer mindestens einer beim Wagen und konnte auf die Sachen aufpassen. Die Bauern gaben zum Schluss die Dinge so mit, ehe der Russe es sich nimmt. Von Bombenangriffen blieben sie außerdem verschont. Während der Flucht kamen sie mitunter in verlassenen Bauernhäusern unter, in denen der Ofen noch warm war und der Keller voller Vorräte. Dadurch war es leichter alles durchzustehen. Unterwegs haben sie auch mal mit dem Fahrrad Erkundungstouren gemacht, ob in dem Treck Bekannte oder Verwandte fuhren. Schließlich wurden Stallners (Albert Stallner (Geigenspieler) verheiratet mit Amalie Schwester von August Bitschnat, Kinder: Fritz, Willi, Lydia) gesichtet. Dort fuhr Horst eine Weile mit und schaffte es danach nicht mehr nach vorn zur Familie zu kommen. Ein Soldat auf einem Motorrad nahm ihn wieder mit nach vorn. Seine Mutter Frieda stand deshalb Ängste um ihn aus, da sich die Trecks zwischendrin immer wieder teilten. Irgendwann während dieser schweren Zeit der Flucht wird Frieda bewusst, dass sie in „anderen Umständen" ist. Ende März 1945 nach 7 Wochen Flucht kamen sie nach Mecklenburg. Zunächst bekamen sie eine Unterkunft in der Gastwirtschaft (Frieda, Horst und Ute) bei Ehepaar Dietrich und in der Försterei für unbestimmte Zeit in Hohes Holz bei Teterow. Alle drei Pferde hatten bis dahin treue Dienste geleistet. Doch die Siegermächte nahmen sich alles, was von den Deutschen noch zu gebrauchen war. Olga nahmen die Polen, Lise die Russen und als letztes Pferd nahmen die Franzosen sogar noch den lahmenden Rappen einfach mit. Als immer mehr Flüchtlinge Unterkünfte benötigten, gingen auch Minna, August, Johanna und Mathes von der Försterei zu den Dietrichs. In der Gastwirtschaft bewohnten sie zusammen 2 Räume. Im September setzen bei Frieda die Wehen ein. Ihre Tochter Irene wird in Teterow geboren. Zwei Monate später schlug das Schicksal zu, denn Matthes starb an einer Blasenerkrankung am 13.11.1945 im Alter von 68 Jahren im Krankenhaus in Teterow.
Ein Flüchtlingstreck von Ostpreussen in Richtung Westen Ein Flüchtlingstreck von Ostpreussen in Richtung Westen
1946
In Nürnberg werden die Urteile gegen die Hauptkriegsverbrecher gesprochen. Während sich in den westlichen Besatzungszonen der Demokratisierungsprozess voranschreitet, werden im Oktober in der sowjetischen Zone die letzten freien Wahlen stattfinden. Am 12. Juli findet die Uraufführung der Oper „Krieg und Frieden" von Sergei Sergejewitsch Prokofjew in Sankt Petersburg statt. Der erste deutsche Nachkriegsfilm feiert im Admiralspalast Premiere. Es ist die DEFA-Produktion „Die Mörder sind unter uns"
Durch einen Verwandten von August Bitschnat, der in Krakow am See wohnte, erfuhren sie von der Vergabe von Siedlerstellen in Alt-Sammit. August ging den langen Marsch von Teterow bis Krakow so manches Mal zu Fuß. Denn Pferd und Fahrrad, so man überhaupt noch etwas besaß, wurde unterwegs garantiert von den Russen konfisziert. Die Familie ging zusammen nach Alt-Sammit. Zunächst wohnten alle zusammen in der sogenannten „Schnitterkaserne" in einem Raum im Obergeschoss, nebenan gab es eine kleine Küche. So mussten sie jahrelang hausen. Vor dem Kontakt mit den vielen Flüchtlingen, die im Schloß untergebracht waren, haben die Eltern gewarnt. Dort breiteten sich rasant Krankheiten aus, u. a. Typhus, an dem viele Menschen in dieser Zeit starben. Die Schule begann 1946 auch wieder für die Kinder. Horst musste die 3. Klasse noch einmal wiederholen, weil er bedingt durch die Flucht, 2 Jahre keine Schule hatte. Schließlich wurden die Siedlerstellen verlost. Frieda bekam eine Siedlerstelle und Bitschnats hatten eine Siedlerstelle von ca. 6 ha Acker und ca. 4 ha Koppel/Wiese und Wald. Minna und August bezogen zusammen mit Johanna 1948 ihr neu gebautes Siedlerhaus. Viele zogen weg und so wurde es allmählich gemütlicher, weil einfach mehr Platz vorhanden war. Frieda bekam mit ihren 3 Kindern eine kleine Wohnung im Erdgeschoss der „Kaserne". Durch die viele Arbeit in der Siedlung konnte Horst nicht immer in die Schule gehen und hörte nach der 6. Klasse im Jahr 1949 auf. Pflug und Pferde wurden sich gegenseitig ausgeborgt und nicht bezahlt sondern anderweitig dafür geholfen. Die Berufsschule war damals die 9. bis 11. Klasse. Horst ging in Krakow auf die Landwirtschaftliche Berufsschule. Da auch in dieser Zeit viel Arbeit auf dem Feld und im Stall zu verrichten war, fehlte er mehr als 50 % der Schulzeit in der 9. Klasse und blieb deshalb sitzen. Das gefiel Frieda gar nicht. Sie achtete deshalb ab sofort darauf, dass Horst regelmäßig zum Unterricht ging. Da er ein guter Schüler war, konnte er die 10. Klasse überspringen und zusammen mit seiner Schwester Ute in die 11. Klasse gehen. Er gab nebenbei Mathenachhilfe für schwächere Schüler. Er sollte überredet werden auf eine höhere Schule zu gehen. Doch er entschied sich dagegen.
Siedlerstelle August Bitschnat Siedlerstelle August Bitschnat
1950er
Der Krieg ist vorbei. Die vier Besatzungssektoren der Siegermächte haben zwei deutsche Staaten entstehen lassen. Walter Ulbricht wird Generalsekretär des Zentralkomitees der SED.
In den Wintern 1951/52 bis 1954/1955 haben die älteren Jungen verbotene Saujagden auf dem Acker und im Wald unternommen. Von den Bauern wurde es wohlwollend beobachtet, waren sie doch froh, dass die Wildschäden zurückgingen. Einmal haben sie 40 Sauen in einem Winter „erwischt". Die Wildschweine wurden immer unter den Familien aufgeteilt. Frieda mochte schon kein Wildschweinfleisch mehr sehen. Das letzte Mal waren sie unterwegs, als bekannt wurde, dass jemand anders wegen Wilderei zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Dieses Risiko wollte keiner mehr eingehen. Die Zeit vergeht, der Krieg ist schon lange beendet, die letzten Kriegsgefangenen kehren langsam heim. Frieda wartet noch immer vergeblich auf ihren Karl. Kein Lebenszeichen von ihm. Eine schreckliche Ungewissheit, die immer wieder plagt. Und trotzdem muss das Leben weiter gehen, denn da sind ihre 3 Kinder, die sie brauchen. Horst konnte durch die Kriegs- und Nachkriegszeiten seine Schulzeit nicht beenden und schloss mit der 6. Klasse ab. Der Traum, zu Hause in Schloßberg zu studieren, ging leider nicht in Erfüllung. Jetzt war nur noch die Arbeit in der neuen Heimat wichtiger. Es sprach sich herum, dass es im Westen besser sein sollte, da hier die westliche Besatzungszone war. Horst beschloss, sich das einmal näher anzusehen. Er ging von Ostern bis zum Weihnachtsfest 1954 nach Winterbach im Kreis Ravensburg in Baden-Württemberg zu dem Bauern Hans Wölke (evangelisch-außergewöhnlich in dem Gebiet). Der Bauer war sehr zufrieden mit seiner Arbeit und hat ihn überredet länger zu bleiben, als es ursprünglich geplant war. 1957 zog Ute mit Siegfried Schneller in die Nähe von Bremen. Dort bauten sie ein Haus in Schwanewede. Ihr Sohn Lutz wurde dort 1959 geboren. Später folgte eine Tochter Sigrid, die im Jahr 1967 geboren wurde.
Ende der 50-iger Jahre verlieben sich Horst und Katharina geb. Dressler. Sie kennen sich seit der Ansiedlung nach der Flucht in Alt-Sammit. Katharina ist die älteste Tochter von Alois und Marianna Dressler, die aus Bessarabien fliehen mussten.
1960
Am 1. Mai wird der Rostocker Überseehafen eingeweiht. Leonid Breschnew wird Vorsitzender des Obersten Sowjet und somit zum "Kronprinzen" von Chruschtschow, den er 1964, als Vorsitzender der KPdSU, ablöst. Bürger der BRD dürfen nicht mehr ohne besonderes Visum in die DDR einreisen. DDR-Bürger bekommen kein Visum mehr für Länder außerhalb des Ostblocks. 1961 wird die neue Richtung durch den Mauerbau zementiert.
Sie heiraten am 23. Januar 1960 im Standesamt in Krakow am See, denn da war Katharina bereits im 3. Monat schwanger. Sie wohnten in der ersten Zeit ihrer Ehe zusammen mit Frieda und ihrer Tochter Irene in einer Zweizimmerwohnung mit Küche in der „Kaserne" in Alt-Sammit. Horst arbeitete auf der MTS und trat 1963 in die LPG ein. Dadurch konnten sie 1963 in das Haus gegenüber der Kaserne auf der Nordseite einziehen.
HochzeitsfotoHochzeitsfoto
Peter, Dörte, Jörg, Frank und OlafPeter, Dörte, Jörg, Frank und Olaf
Am 04. Mai 1960 kam Peter auf die Welt. Den Namen Peter verdankt er seinen schwarzen Haaren, die er schon als Neugeborener hatte. Bereits am 02. Mai 1961 wurde Dörte geboren. Am 10. Juli 1962 folgten Jörg und am 20. März 1964 Frank. Bis dahin wurden alle Kinder in Krakow am See geboren. Olaf hat seinen Geburtstag am 17. Juli 1966. Am 07. März 1971 wurde Ramona geboren und am 12. August 1972 folgten die zweieiigen Zwillinge Axel und Bodo. Die letzten vier Kinder wurden alle im Güstrower Krankenhaus geboren. Jetzt war die von Horst gewünschte Fußballmannschaft zwar noch nicht zusammen aber die Zwillinge bildeten den krönenden Abschluss einer achtköpfigen Kinderschar.
Am 17. Juli 1964 verstarb Frieda Schelski genau an ihrem 30. Hochzeitstag und mit 54 Jahren viel zu jung an Magenkrebs. Ein Jahr darauf am 08. August 1965 gab es mit dem Tod von Johanna Scholl den 2. Trauerfall innerhalb kurzer Zeit.